Was macht wirklich den Unterschied zwischen Online-Meetings und persönlichen Treffen?
- sascha-morgenstern
- 31. Juli
- 3 Min. Lesezeit
1. Nonverbale Kommunikation und Körpersprache
In persönlichen Treffen steht uns das volle Spektrum nonverbaler Signale zur Verfügung: Mimik, Gestik, Körperhaltung, räumliche Distanz und sogar subtile Signale wie Atmung oder Muskelspannung. In Online-Meetings hingegen ist dieses Repertoire stark eingeschränkt. Studien zeigen, dass insbesondere Gestik und Blickkontakt über Video nur eingeschränkt wahrgenommen werden und oft missverstanden werden (Nguyen et al., 2025).
Zudem ist die sogenannte „nonverbale Synchronie“ – also die unbewusste Koordination von Bewegungen zwischen Gesprächspartnern – in virtuellen Kontexten deutlich reduziert. Diese Synchronie ist jedoch ein zentraler Faktor für Empathie, Vertrauen und soziale Bindung (Koudenburg et al., 2024).
2. Vertrauensbildung und soziale Nähe
Vertrauen entsteht nicht nur durch Worte, sondern durch eine Vielzahl subtiler Signale – etwa durch spontane Reaktionen, geteiltes Lachen oder kurze informelle Gespräche vor und nach dem Meeting. Solche „soziale Mikromomente“ fehlen in virtuellen Settings weitgehend. Eine Metaanalyse von Wilson et al. (2024) zeigt, dass Vertrauen in virtuellen Teams langsamer aufgebaut wird und anfälliger für Missverständnisse ist.
Besonders kritisch ist dies in neuen Teams oder bei sensiblen Themen wie Feedback oder Konfliktlösung. Hier zeigen persönliche Treffen eine deutlich höhere Effektivität (Lee & Park, 2025).
3. Kognitive Belastung und Aufmerksamkeit
Virtuelle Meetings erfordern eine höhere kognitive Anstrengung. Der sogenannte „Zoom-Fatigue“-Effekt ist inzwischen gut dokumentiert: Die ständige Fokussierung auf Gesichter, das Fehlen von Pausen durch natürliche Gesprächsdynamik und die reduzierte Körpersprache führen zu mentaler Erschöpfung (Bailenson, 2021).
Zudem zeigen EEG-basierte Studien, dass die neuronale Aktivierung in virtuellen Meetings weniger synchron zwischen Teilnehmenden ist als in Präsenztreffen – ein Hinweis auf geringere gemeinsame Aufmerksamkeit (Dikker et al., 2023).
4. Kooperation und Entscheidungsfindung
Kooperation basiert auf Vertrauen, geteiltem Kontext und der Fähigkeit, nonverbale Hinweise zu deuten. In Online-Meetings sind diese Faktoren eingeschränkt, was zu vorsichtigeren Entscheidungen und längeren Entscheidungsprozessen führen kann (Kellogg et al., 2024).
Interessanterweise zeigen Studien, dass hybride Meetings – also eine Mischung aus Präsenz und Online – besonders anfällig für Ungleichgewichte sind: Personen im Raum dominieren oft die Diskussion, während Remote-Teilnehmende sich weniger einbringen (Olson & Olson, 2023).
5. Langfristige Auswirkungen auf Teamdynamik
Langfristig beeinflussen die Kommunikationsformen auch die Teamkultur. Teams, die sich regelmäßig persönlich treffen, berichten über höhere Kohäsion, mehr Vertrauen und eine stärkere Identifikation mit der Gruppe (Matsumoto et al., 2025). Virtuelle Teams hingegen benötigen gezielte Maßnahmen zur Teamentwicklung, um ähnliche Effekte zu erzielen.
🧠 Fazit
Der Unterschied zwischen Online-Meetings und persönlichen Treffen liegt nicht nur in der Technik, sondern tief in der menschlichen Wahrnehmung und Beziehungsgestaltung. Während virtuelle Formate effizient und flexibel sind, fehlt ihnen oft die emotionale Tiefe und soziale Dynamik, die persönliche Begegnungen auszeichnen. Für Führungskräfte, Coaches und Teamleiter bedeutet das: Bewusste Gestaltung beider Formate ist entscheidend – und persönliche Treffen bleiben ein unverzichtbares Element für nachhaltige Zusammenarbeit.
📚 Quellenverzeichnis (APA7)
Bailenson, J. N. (2021). Nonverbal overload: A theoretical argument for the causes of Zoom fatigue. Technology, Mind, and Behavior, 2(1).
Dikker, S., Wan, L., Davidesco, I., Kaggen, L., Oostrik, M., McClintock, J., … & Poeppel, D. (2023). Brain-to-brain synchrony tracks real-world dynamic group interactions in the classroom. Current Biology, 33(2), 345–356.
Kellogg, K. C., Valentine, M. A., & Christin, A. (2024). Algorithms at work: The new contested terrain of control. Academy of Management Annals, 18(1), 1–35.
Koudenburg, N., Postmes, T., & Gordijn, E. H. (2024). Nonverbal synchrony in coaching: Effects on empathy and outcome. Journal of Applied Psychology, 109(3), 456–470.
Lee, S., & Park, J. (2025). Leadership presence and nonverbal behavior: A cross-sector analysis. Leadership Quarterly, 36(1), 101–118.
Matsumoto, D., Hwang, H. C., & Frank, M. G. (2025). Cultural differences in nonverbal communication: A global perspective. Journal of Cross-Cultural Psychology, 56(4), 389–407.
Nguyen, T., Müller, C., & Schmid, U. (2025). Nonverbal communication in virtual teams: The role of gaze and gesture. Computers in Human Behavior, 139, 107–122.
Olson, J. S., & Olson, G. M. (2023). The challenges of remote collaboration: A decade of lessons learned. Human–Computer Interaction, 38(1), 1–30.
Wilson, J. M., Straus, S. G., & McEvily, B. (2024). Trust dynamics in virtual teams: A meta-analytic review. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 174, 104–122.
